Das war der 50. Internationale ESTA-Kongress in Graz

Bericht von Irina Maria Antesberger

Langsam aber sicher füllen sich die Gänge des MUMUTH, an diesem etwas grauen, für Frühlingsverhältnisse recht windigen Samstag im April. Anfangs vereinzelt, dann tröpfchen- und, desto fortgeschrittener der Abend, schließlich gruppenweise treffen Teilnehmer*innen, Vortragende und ausstellende Unternehmen ein. Hinter dem Check In-Point taucht man ein in die internationale Szene und bekommt bei Brötchen und Getränken gleich einen Vorgeschmack auf das, was die kommende Woche zu bieten haben wird. Reger Austausch und ein fröhliches „Pleasure to meet you!“ von allen Seiten, bevor mit dem Konzert von BartolomeyBittmann und dem ESTA-Foundation Orchestra der 50. ESTA-Kongress feierlich eröffnet wird.

Nachdem die Violin- und Cello-Wettbewerbe am Freitag und Samstag bereits erfolgreich über die Bühne und für alle Teilnehmer*innen mit wertvollem Input zu Ende gegangen sind, beginnt der Sonntag mit einer Ehrung: die ESTA-Gründerin o.Univ.-Prof.in Marianne Kroemer erhält das Goldene Ehrenzeichen der Stadt Graz und das Bundesverdienstkreuz um die Verdienste für die Republik Österreich.

Anschließend fahren die Kongressteilnehmer*innen auf einen Ausflug ins Museumsdorf Stübing für ein interaktives Konzert mit den Zitoller Tanzgeigen. Auch die Studierenden der Celloklassen der KUG  kommen an diesem Tag auf ihre Kosten - bei einer Masterclasses mit Frans Helmerson wird das Palais Meran in eine dichte Klangwolke gehüllt, welche am Abend von einem Konzert gekrönt wird.

Die neue Woche beginnt frisch und munter mit Heidi Manteres bei der ersten von vier morgendlichen Pilates-Einheiten, bevor im Florentinersaal bei den initiation lectures und in der Folge einem round table (moderiert von Vizerektorin Univ.Prof. Mag.phil. Dr.phil. Constanze Wimmer) viele Fragen gestellt und auch einige Antwortversuche unternommen werden. Es geht um die Zeit junger Musiker*innen bis zum Antritt eines Studiums (Alf Richard Kraggerud), die Gefahr des “Einzelkämpfer*innendaseins” als Musiker*in (Prof. Albrecht Winter), die Spannungsfelder Universitäten - Konservatorien - Musikschulen und deren Kooperationsmöglichkeiten unter- und miteinander (Univ.Prof. Dr.phil. Jan Jachmann) sowie die Chancen und das Potential der frühen musikalischen Förderung (Prof.Stephan Imorde). Weiters begeistert als Vortragender ESTA-Präsident Geza Szilvay mit inspirierenden Erzählungen von seinen Erfahrungen mit Kindern und Jugendlichen sowohl im Rahmen seiner internationalen Projekte als auch im kreativen Gestalten des Unterrichts - stets unter Berücksichtigung aller Aspekte, die junge Menschen beim Musizieren beeinflussen könn(t)en.
Insbesondre mit dem Anfangsunterricht beschäftigt sich Andrea Holzer-Rhomberg, die mit ihrer Schule „Fiedel-Max“ jungen Violinist*innen musikalischen Ausdruck sowie motiviertes Lernen und vor allem Lernen Wollen ermöglicht und einen bunten Blumenstrauß an methodischen und didaktischen Denkimpulsen präsentiert.

Am ganzen Campus verteilt findet man unterdessen Ausstellende und Vortragende, etwa Lara Bojadjieva, die ihren Zuhörer*innen Wege und Mittel zu effektivem mentalen Üben und mentaler Stärke als Musiker*in näherbringt, oder auch Harfenistin Monika Stadler, die unter anderem eigene Publikationen vorstellt.
Im MUMUTH, dem „Haus für Musik und Musiktheater“, hingegen lauschen die Kongressteilnehmer*innen aufmerksam den Ausführungen von Nicole Wilson zu Online-Möglichkeiten im Bereich der Instrumental- und Gesangspädagogik sowie Edgar Russ, der mit seiner jahrelangen Erfahrung als Geigenbauer seinen Gästen aus ganz Europa die Suche nach d e m perfekten eigenen Instrument erleichtern möchte. Den Tag beschließt das Selini Quartett, ein preisgekröntes Ensemble aus vier jungen Musikerinnen, das dem Publikum im Florentinersaal u.a. Werke von Rainer Bischof, Philipp Gutmann und Walter Kaufmann darbietet.
Ebendieser Saal steht am Dienstag schließlich ganz im Zeichen der Harfe - eine Besonderheit, wenn man bedenkt, dass Österreich das einzige Land ist, in dem sowohl die Gitarre als auch die Harfe am ESTA-Kongress vertreten sind. Aus eigener Erfahrung erzählt hier Viktor Hartobanu von seinem Erwachsenwerden als „Wunderkind“ und den Chancen und Herausforderungen im Umgang mit solchen jungen Musiker*innen aus Lehrer*innensicht. KUG-Professorin Margit Anna Süß spricht über den Beruf des/der Harfenist*in und welche Faktoren den Weg als Künstler*in, Kunstschaffende(r) und Musikmachende(r) beeinflussen können, bevor junge Harfenistinnen beim lunch concert ihr Können präsentieren. Am Nachmittag arbeitet Prof.in Francoise Verherve aus Frankfurt bei einer Masterclass wiederum mit zahlreichen jungen Talenten, bevor der Tag mit einem weiteren Harfen-Konzert zu Ende geht.
An den anderen Austragungsorte haben die Kongress-Besucher*innen hingegen die Möglichkeit, die (leider aus coronatechnischen Gründen nicht live mögliche) Präsentation von MsC Sarah Lesjak zu diversen Zusammenhängen zwischen Körper(haltung) und Instrument zu verfolgen oder bei Kateryna Zavalko in die Tiefen und Untiefen des „musikalischen Gedächtnisses“, des Aneignens und des auswendigen Vortragens von Musik einzutauchen. Ines Ana Tomić komplettiert an diesem Tag das Vortragstrio im Kleinen Saal des Palais Meran - sie spricht primär über das step by step - Entdecken der Positionen auf der Violine im Unterricht. In der Zwischenzeit hat man im Theater im Palais die Möglichkeit, die Produkte von Thomastik Infeld Vienna kennenzulernen und auszuprobieren. Außerdem referieren Nicolas Dupont aus Belgien über eine relativ wenig bekannte Methode für die linke Hand („The Violin in Fifths“), Michael Y. Wiener stellt innovatives Denken im “Streicherbusiness” in den Vordergrund und Bratschistin Heng-Ching Fang erläutert technische Feinheiten der Deutschen Schule.

Am Mittwoch bespielen Andi Sagmeister und Diknu Schneeberger mit einigen Teilnehmer*innen den Kleinen Saal, bevor Carmen Eberz, die Gründern der erfolgreichsten niederländischen Geigenschule (“Zo speel ik viool”), ebendiese vorstellt und Einblicke in ihre kreative Arbeit daran gibt. Im Theater im Palais sind im Rahmen ihrer Präsentationen Alexis Galperine, Jorge Alves und Axel Kircher zugegen sowie Experte Marcel Richters, der alle Fragen rund um die Instandhaltung von Saiteninstrumenten beantworten kann. Nach einem Empfang durch die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr im Rathaus beschließt das ESTA-Foundation-Orchester unter Jutta Seppinnen den Mittwoch auf der Bühne des Theater im Palais.

Der letzte Kongresstag rückt schließlich aber vor allem die Gitarre in den Fokus - wie bereits erwähnt eine Besonderheit bei der ESTA in Österreich. Nachdem im Florentinersaal KUG-Professor Wolfgang Hattinger seinen Ansatz der musikalischen Gestaltung und einen damit verbundenen kleinen Perspektivenwechsel erläutert, hilft Lukasz Kuropaczewski in einer Masterclass den Schülern und Studierenden dabei, ihren Horizont zu erweitern. Zwei Türen weiter referiert im Kleinen Saal Blanca Lopez aus Madrid über eine Komposition von Jean Sibelius (“Thema und Variationen für Solocello”) - in besonders eindrucksvoller Weise, lässt sie doch schließlich die Musik für sich sprechen und bietet das gesamte Werk dar, das den Kleinen Saal im Palais Meran in wohlig warme und plötzlich doch aufgeregte, erschütternde und dennoch nicht zu pathetische Cellotöne hüllt. Prof.in Vildana Repše bringt nicht nur ihren Vortrag über die optimale Entwicklungsförderung sowie technische Unterstützung junger Geigentalente, sondern auch zwei ebensolche aus ihrer Klasse in Ljubljana mit - Neža und Andreja unterstützen die Präsentation ihrer Lehrerin mit Musik von Bach, Pergolesi, Etüden von Kreutzer und anderen. 
So geht eine intensive Kongress-Woche zu Ende - vor allem der große Besucherandrang beim Abschlusskonzert, wo die Gewinner der Concerto Competition mit dem Steirischen Landesjugendsinfonieorchester zu hören sind, spricht dafür, dass Graz seine Sache als kurzfristige europäische “Hauptstadt” der Streich- und Saiteninstrumente ganz hervorragend gemacht hat.

English version (short:
It is a grey-ish, rainy Saturday, 9th April, when the halls and corridors of all KUG-locations start to gradually fill with participants from all over Europe that have made their way to Graz. The Styrian capital is about to give a home to the ESTA`s 50th international conference for the upcoming days. After a successful opening concert by BartolomeyBittmann and the ESTA foundation orchestra the congress starts with a ceremony honoring ESTA founding member Marianne Kroemer as well as a full day of input in cello masterclasses with Frans Helmerson. The week of presentations and exhibitions begins with an early morning Pilates lesson followed by a round of initiation lectures including a round table discussing several interesting aspects regarding teaching and understanding music and music education. Presentations about all kinds of musical fields take place all over the campus and participants and visitors find a colorful bouquet of topics to choose from. One of the particularly special things about ESTA Austria is that they are the only ones to include not only string instruments of the violin family but also the guitar and the harp. A harp focus day as well as a guitar focus day make very clear how inspiring the exchange of knowledge and experience with musicians and teachers of these instrument groups can be for everyone involved. Masterclasses lead by Francoise Verherve (harp) and Lukasz Kuropaczewski (guitar) offer great learning opportunities for both listeners and students playing on stage of Florentinersaal. Even the mayor of Graz, Elke Kahr, shows interest in the 50th ESTA congress as she invites some of the presenters and participants to a reception at her office, offering an opportunity to chat and hear about the work being done in music education all over Europe. Graz has presented itself as an open-minded, young and dynamic temporary “capital city of string instruments” from 9th to 14th April - after an intense week of lively exchange and lots of interacting and connecting the congress comes to an end with a very well-attended final concert, where the ESTA concerto competition winners present their extraordinary artistry, accompanied by the Styrian Youth Symphony Orchestra.